- Schachfestival Lüneburg, 2019 -
03.08. - 11.08.
 

Nichts als heiße Luft in Lüneburg!?
 
„Lüne“ statt „Pardu“

In der ersten Augustwoche spielten Sebastian und ich mit unserem Vereinskollegen Maik Schäfer das Schachfestival in Lüneburg. Meistens ging es ja im Sommer nach Pardubice, aber warum in die Ferne schweifen... Aber natürlich musste Lüneburg da eine hohe Hürde nehmen, um an „Pardu“ heranzureichen. Wir werden sehen, ob es ihnen gelang.

Wie auch in Tschechien wurde mit einer Runde pro Tag gespielt, und zwar immer nachmittags um 16 Uhr. Insgesamt 9 Runden nach dem Bedenkzeitmodus Fischer Kurz. An den Vormittagen fanden ein B-Open und zwei Einladungsturniere statt. Manch Hartgesottene nahmen an zwei Turnieren gleichzeitig teil. Wir ließen es ruhiger angehen mit einer Partie täglich. Unsere Ferienwohnung war ok, aber die 8 km Fahrt zum Turnierort konnte lang werden - die Verkehrsdichte ist im relativ grünen Lüneburg nicht angenehmer als woanders.

Örtlichkeiten

Gespielt wurde im Hotel Seminaris. Wohl zum letzten Male, da sie als Sponsor wegfallen, wie zu hören war. Zunächst das Positive: Es gab annähernd 40 Live-Bretter und auch ansonsten vernünftiges Spielmaterial. Kaffee, Tee und Wasser standen gratis zur Verfügung. Leider sind auch ein paar negative Punkte zu nennen. Der Wichtigste: Es gab keine Klimatisierung. Die Temperaturen waren übel. Wenn man den Spielsaal betrat, bekam man gleich den sprichwörtlichen Hammer vor den Kopf. Nach ein paar Minuten badete man in seinem eigenen Schweiß. Sogar der Hitzefreund und sportlich topfitte Sebastian empfand es als sehr belastend, und das will schon was heißen.

An den Brettern in der rechten Saalhälfte hätte man sich noch etwas mehr Armfreiheit gewünscht. Die Geräuschkulisse war auch nicht optimal. Es gab Baustellenlärm und auch von einem Blindbrett, wo man die Züge ja jeweils laut ansagt, kamen immer wieder mehrminütige laute Diskussionen. Hier hätte man meiner Meinung nach seitens der Veranstalter Hilfestellung bieten müssen, anstatt es tagelang laufen zu lassen.

Frank und Maik

Mein Turnier kann man mit einem Wort zusammenfassen: Desaster. Zum Auftakt musste ich gegen einen IM antreten, hier zog ich mich einigermaßen achtbar aus der Affäre. In den folgenden vier Runden kam ich aber über vier Unentschieden gegen 1700er nicht hinaus. Zweimal musste ich sogar am Ende Verluststellungen retten, da ich es übertrieben hatte. Mit Weiß versuchten die Gegner nicht viel und wollten auf Remis bunkern, trotz harter Kämpfe konnte ich meine wenigen Chancen nicht wahrnehmen.

So hoffte ich immer weiter, aber in Runde sechs habe ich zwei leichte Taktiken übersehen. Zwischenzeitlich stand ich auf Verlust, dann auf Gewinn, aber verpatzte diese Partie zur Null. Ich habe dann gemerkt, dass gerade unter den klimatischen Bedingungen im Spielsaal das Weiterspielen für mich nicht sinnvoll ist. Aber natürlich muss man nach eigenen Fehlern suchen. Mir fehlte nach Karlsruhe etwas die Praxis und meine Vorbereitung auf Lüneburg fing zu spät an.
 

Wiese - Modder
Schwarz am Zug

Mein Drama in der Schlußrunde: Hier gewann einfach 24. ... Sxe8 und nach 25. Dxf4 Ld7 26. Te7 Td8 kann Weiß die Figur kaum nachweisen. Stattdessen zog ich 24. ... c5?, worauf Weiß allerdings seine Chance auf Vorteil nicht wahrnahm und mit 25. Dc3? antwortete und mir eine weitere Chance einräumte, auf e8 zu schlagen.Aber nach 25. ... Se4?? fiel der Vorhang nach 26. T2xe4 nebst der tödlichen Drohung Te7.

Maik spielte zunächst besser und besiegte auch einen Gegner mit knapp 2000 ELO, dazu ein Remis gegen einen weiteren Spieler dieser Spielstärke. Am Ende gab es aber drei Nullen in Folge, in den beiden letzten Partien dabei gegen deutlich schwächere Gegner. Aber es gab viele Überraschungen in Lüneburg - mit dem schwächeren Gegner ist es nicht so weit hin. Oder lag es an der Hitze? Auch Maik litt darunter und brach das Turnier vor der letzten Runde ab. Hier seine angesprochene Gewinnpartie:
 

Koellner (2000) - Maik
Weiß am Zug

In der 3. Runde gegen einen aufstrebenden Nachwuchsspieler hatten beide Seiten ihre Chancen gehabt, die Partie zu gewinnen. Im Diagramm nun hätte sich Weiß mit Remis begnügen müssen durch Dxc5, wonach Schwarz ein Dauerschach geben muss. Weiß wollte hier aber wohl von der knappen Bedenkzeit von Maik profitieren und griff zu 57. Sf5?, wonach Maik kaltblütig mit 57. ... Se6 konterte. Weiß stand danach mit dem Rücken zur Wand, hätte aber nun auf jeden Fall erstmal etwas gegen die Drohung f3 machen sollen. Nach 58. Dd7? f3 fiel der Vorhang.

Sebastian

Sebastian hatte sich schon etwas vorgenommen. Auch ihm fehlte etwas die Praxis, man musste also zunächst mal eine Standortbestimmung vornehmen. Es gab für ihn ein erweitertes Ping-Pong: Zwei schwächere Gegner, gefolgt von einem sehr Starken. In den ersten fünf Runden war er also viermal Favorit, in dem Fall waren die Gegner aus dem Bereich 1800-2000 ELO. Diese vier Partien gewann Sebastian mehr oder weniger souverän, meist stand er um den 20. Zug herum bereits auf Gewinn.

Dazwischen lag das Duell gegen die Nr. 2 der Setzliste, Dimitrij Kollars, der fast 2600 Punkte aufwies. Bast spielte mit Weiß sehr ambitioniert. Letztlich war eine recht scharfe Stellung entstanden, in der die beiden Kontrahenten zu unterschiedlichen Seiten rochiert hatten. Sebastians König war potentiell schwächer, da weniger geschützt. Kollars war im Königsangriff letztlich schneller.

Somit stand Sebastian bei 4,0/5 und traf in Runde sechs auf einen starken Gegner - IM Malte Colpe (2366). Diese Partie war so etwas wie die Crux in diesem Turnier für Bast, darum schauen wir hier etwas genauer hin:

Colpe - Bast

Das ausgelassene Sxb1 war so etwas wie ein kleiner Bruch in einem bis dahin vernünftigen Turnier. Drei Runden blieben noch, aber es ging nun wieder mit schwächeren Gegnern weiter. In Runde sieben forcierte der Oldenburger die Dinge wohl zu früh und musste hart darum kämpfen, noch ein Unentschieden zu erreichen. In der vorletzten Runde gab es eine dramatische, und leider erneut unbefriedigende Partie für Sebastian, die wir hier ein wenig vorstellen wollen. Nachdem unser Kämpfer die Gewinne ausgelassen hatte, musste er am Ende glücklich sein, nicht verloren zu haben:

Kiesel - Bast

Die Partie ist im Grunde eine Tragödie für Schwarz. Es ist unklar, warum diese Partie nicht gewonnen werden konnte.

In der letzten Runde gab es ein Remis gegen einen aufsteigenden Jugendspieler mit knapp 2100 DWZ-Punkten. Hier brachte sich Bast durch einen quasi Fingerfehler in der Eröffnung um eine im Gewinnsinne spielbare Stellung. Ein ernüchterndes Weißremis. 5,5/9 und leider wohl keine Zugewinne in den Ratingkategorien. Ich denke aber, Sebastian wird das Geschehen aufarbeiten, und dann gibt es wieder aufsteigende Ergebnisse.

Sonstiges

Es gab eine Menge Außenseitersiege und auch kuriose Fehler. Ein prägnantes Beispiel gab es in der folgenden Partie:
 

David Wachinger - IM Kolbus
Weiß am Zug

Hier zog der Bremer David Wachinger Td-g1, wonach der IM mit dem Abzug Tf1+ die gegnerische Dame (gegen Turm) hätte gewinnen können. Es kam jedoch Df5+. Das ist für einen IM schon ein ziemlicher Klops. Diese Partie endete mit einem Remis. Übrigens ein sehr starkes Turnier des Bremers (mit Sieg gegen GM!) und einer knapp verpassten IM-Norm.

Fazit

Von den Leistungen her ein Turnier zum Vergessen - lediglich Sebastian brachte die ersten ca. 2/3 Drittel des Turniers Leistung aufs Brett. Danach gab es vollkommen unverständliche Fehler (Sc4 bei Colpe, Txc6 bei Kiesel, Eröffnungsfehler in der Schlussrunde), die man auch nicht mit fehlendem spielerischen Können erklären kann. Ansonsten: Pardubice konnte nicht von Lüneburg gefährdet werden - trotz des Kontinentalklimas in Tschechien.

Zuletzt noch der Link zur Turnierseite:

Offizielle Turnierseite

- frank modder, 15.08.2019
 

Sebastian zeigt Maik
in der Analyse, was Phase ist.